Wie funktioniert das SACHVERSTÄNDIGENVERFAHREN bei einem Unternehmensschaden?

16. April 2021 von P. Merker

Der Gesetzgeber hat mit dem Sachverständigenverfahren ein sehr effizientes, verlässliches und bewährtes Instrument geschaffen, um Sachschäden in Unternehmen zu regulieren.

Ich hoffe, es kommt bei Ihnen im Unternehmen nie zu einer Brandkatastrophe. Trotzdem macht es Sinn, sich einmal für den “Fall der Fälle” mit den Abläufen und Usancen vertraut zu machen und Kontakte parat zu haben.

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Was Sie als Unternehmer darüber wissen müssen

Der Anruf erwischt Sie eiskalt am Samstagabend, während sie mit Ihrer Familie zu Abend essen: Ihr nagelneues CNC-Bearbeitungszentrum brennt.

Zwei Tage später: Das Feuer ist gelöscht, die Polizei war bereits da. Zum Glück ist niemand verletzt. Der durchdringende Brandgeruch und die verkohlten Maschinenteile treiben jedoch selbst dem hartgesottensten Unternehmenslenker die Tränen in die Augen.

Spätestens jetzt rufen Sie Ihre Versicherung an und – sofern vorhanden – Ihren Versicherungsmakler, denn nun geht es darum, Ihr Unternehmen und unzählige Arbeitsplätze zu sichern.

Damit Sie in einer solchen Ausnahmesituation möglichst schnell Ihren kühlen Kopf zurückbekommen, macht es Sinn, in einer ruhigen Minute die nun anstehenden Entscheidungen und Prozesse einmal durchgespielt zu haben. Daher möchte ich Ihnen diese im Folgenden skizzieren.

Zuständig für Sachschäden (dazu gehören üblicherweise Brände, Explosionen, Blitzschlag und Schäden durch Luftfahrzeuge) ist Ihre Sachversicherung mit den 3 Fachbereichen Einrichtung, Betriebsunterbrechung und Immobilien. Diese reguliert:

  • die Sachschäden bei den Mobilien, also die Wiederbeschaffung oder die Reparatur von Maschinen, Bürostühlen, EDV-Kabeln etc.
  • die Betriebsunterbrechung, also z.B. den entgangenen Gewinn, weiter laufende Fixkosten und Vertragsstrafen wegen Nichtleistung aber auch die Schäden an Ihren Waren und Vorräten
  • die Sachschäden bei den Immobilien, also Reparatur, Sanierung oder sogar Wiederaufbau Ihrer Betriebsgebäude.

Bei Ihrer Versicherung werden Sie mit dem sogenannten Schadenregulierer sprechen. Der Schadenregulierer und hoffentlich auch Ihr Makler werden Sie darüber informieren, dass die Berechnung der Schadenshöhe in Deutschland von Sachverständigen vorgenommen wird. Das geschieht entweder im Sachverständigenverfahren oder im Beiratsverfahren.

Wichtig ist – und darauf sollte Ihr Makler und Ihre Versicherung Sie hinweisen – dass Sie nach den Bedingungen Ihres Vertrages ein Recht auf das Sachverständigenverfahren haben.

Für jedes Fachgebiet gibt es spezielle Sachverständige. Wundern Sie sich also nicht, wenn selbst bei mittleren Schäden bereits jede Menge Experten mitmischen.

Aber was genau sind Sachverständigenverfahren und Beiratsverfahren, was sind die Vor- und Nachteile und wofür sollten Sie sich entscheiden? Und wie kommen Sie zu einem Sachverständigen? Hier sind Antworten:

Was ist ein Sachverständigenverfahren?

Das Sachverständigenverfahren ist gesetzlich geregelt im §84 VVG (Versicherungsvertragsgesetz) und § 10 AFB (Allgemeine Bedingungen für die Feuerversicherung). Hierbei handelt es sich um ein außergerichtliches Verfahren zur Feststellung der Höhe des Schadens. Voraussetzung hierfür ist, dass Sie und der Versicherer sich auf die Durchführung eines solchen Verfahrens einigen.

Im Sachverständigenverfahren benennt jede Partei- also Sie als Versicherungsnehmer einerseits und Ihre Versicherung auf der anderen Seite – jeweils einen Sachverständigen Ihres Vertrauens. Beide Sachverständige wiederum einigen sich ihrerseits auf einen gemeinsamen Obmann (der ebenfalls aus dem Kreis qualifizierter Sachverständiger stammt).

Gemeinsam ermitteln die beiden Sachverständigen die Schadenshöhe und erstellen zusammen ein Gutachten.

Dieses Gutachten muss beispielsweise für den Mobilien-Sachschaden ein Verzeichnis aller beschädigten Maschinen, Anlagen, Betriebseinrichtungen, Stühle, Werkzeuge etc. enthalten sowie deren Versicherungswerte, die Wiederherstellungs- oder Wiederbeschaffungskosten, die Restwerte und die nach dem Versicherungsvertrag versicherten Kosten.

Hier haben wir Ihnen die wichtigsten Begriffe und Definitionen rund um die Unternehmens- und Maschinenbewertung in einem übersichtlichen Glossar zum Download zusammengestellt.

Sollten sich die beiden Sachverständigen in einzelnen Punkten nicht einig werden, werden diese Punkte abschließend durch den Obmann entschieden. Die Feststellungen der Sachverständigen und/oder des Obmannes sind für beide Vertragsparteien verbindlich und können nur bei erheblichen Abweichungen gerichtlich angefochten werden. Erhebliche Abweichungen werden nach gängiger Rechtssprechung bei Abweichungen von mehr als 25% nach Ansicht einer der Beteiligten (Sie, die Versicherung, Sachverständiger) angenommen. In meiner mehr als 25- jährigen Praxis als Sachverständiger habe ich das tatsächlich noch nie erlebt. Das heißt, das Ergebnis des Sachverständigenverfahrens ist für alle Beteiligten von höchster Verlässlichkeit.

Das Sachverständigenverfahren wird analog genauso auch bei der Ermittlung des Immobilien-Sachschadens und des Betriebsunterbrechungsschadens angewendet.

Sie sehen: Hier sitzen dann also schon 6 Sachverständige mit am Tisch. Ich habe auch schon Schäden mit noch mehr Sachverständigen erlebt, weil noch Spezialkenntnisse wie z.B. bei der Statik gefragt waren.

Wichtig: In der Regel sind die Sachverständigenkosten nach §85 VVG mitversichert, d.h. Ihre Versicherung übernimmt auch die Kosten für Ihre Sachverständigen.


Beiratsverfahren

Sie können sich mit Ihrem Versicherer auch auf das sogenannte Beiratsverfahren verständigen. Der wesentliche Unterschied ist, dass hier nur ein Sachverständiger mit der Ermittlung der Schadenshöhe beauftragt ist, auf den sich beide Parteien einigen. Das Beiratsverfahren ist also ein schnelles und schlankes Verfahren zur Schadensregulierung. Auch hier steht der Weg zum Gericht nur bei erheblichen Abweichungen zur Verfügung.

Wichtig zu wissen ist, dass Sie auch während eines laufenden Beiratsverfahrens noch auf das Sachverständigenverfahren umschwenken können und sich also keinesfalls Wege verbauen.

Vor-/Nachteile und Entscheidungshilfe

  1. Während für Ihre Versicherung die Schadensregulierung Alltagsgeschäft und Routine ist, sind Sie mit einer – hoffentlich – einmaligen Ausnahmesituation konfrontiert. Ein routinierter und erfahrener Sachverständiger, der in Ihrem Auftrag tätig wird, bezieht Sie in die Berechnung des Schadens mit ein, erläutert Ihnen alle Schritte und Feinheiten, beantwortet Ihre Fragen und führt Sie durch den ganzen Regulierungsprozess, der auch mal mehr als zwei Jahre andauern kann. Ein Sachverständiger Ihres Vertrauens sorgt also für Transparenz. Das heißt, je mehr Fragen Sie haben und je größer Ihr Wunsch nach individuellem Support ist, desto eher sollten Sie das Sachverständigenverfahren wählen.
  2. Sie kennen das Sprichwort: Zwei Experten – drei Meinungen. Auch bei der Beurteilung der Schadenshöhe gibt es oftmals nicht die eine Wahrheit, sondern verschiedene Blickwinkel, differierende Bewertungen von Fakten und Ermessensspielräume. Das Sachverständigenverfahren kann daher für größtmöglichen Interessenausgleich sorgen. Das heißt, je komplexer ein Schaden angelegt ist, je mehr außergewöhnliche Effekte zeitgleich zu berücksichtigen sind (wie zum Beispiel aktuell Corona), desto eher sorgt das Sachverständigenverfahren für faire Ergebnisse.
  3. Je kleiner und übersichtlicher ein Schaden ist, desto eher sorgt das Beiratsverfahren für schnelle und verlässliche Ergebnisse, da hier entsprechend weniger Personen mit eingebunden sind. Die Schadensregulierung kann u. U. länger als zwei Jahren andauern und je mehr Personen involviert sind, desto zäher kann so ein Prozess werden. Und: Sie können wechseln. D.h. Sie können sich auch noch im Schadenprozess mit laufendem Beiratsverfahren für ein Sachverständigenverfahren entscheiden.

Praxistipp: Überprüfen Sie Ihre Police bzw. beraten Sie sich mit Ihrem Makler und stellen Sie sicher, dass die Kosten für Ihren Sachverständigen tatsächlich mitversichert sind.

Entscheiden Sie sich für routinierte, erfahrene und bestens qualifizierte Sachverständige, damit die Regulierung Ihres Schadens professionell abgewickelt wird. Was uns zur nächsten wichtigen Frage bringt, nämlich:

Was ist ein geeigneter Sachverständiger und wo finde ich diesen?

Spezialisierung

Sachverständige sind Spezialisten Ihres Fachgebietes. Daher werden für die einzelnen Fachgebiete auch je eigene Sachverständige beauftragt. In Frage kommen also:

  • für die Einrichtungs-/Mobilien-Sachschäden: Sachverständige für Maschinen und technische Anlagen
  • Betriebsunterbrechungsschäden: Sachverständige für Betriebsunterbrechungsschäden
  • Immobilien-Sachschäden: Sachverständige für Gebäudeschäden

Skepsis ist angebracht, wenn Expertise für alles angegeben wird. Also wenn jemand Immobilien kann, und Mobilien, und Waren und Vorräte, und KfZ, und, und, und …

Qualifizierung

Mit folgenden Qualifizierungen beweisen Sachverständige, dass Sie den hohen Standards Ihres Berufes genügen und sich fortbilden:

  • Öffentliche Vereidigung und Bestellung
  • EU-Zertifizierung nach DIN EN ISO/IEC 17024

Während die öffentliche Bestellung und Vereidigung traditionell das “Qualitätssiegel” der deutschen Handelskammern ist und durch diese vorgenommen wird, ist die EU-Zertifizierung auf internationale Anerkennung und Standards ausgerichtet.

Reputation

Gute Sachverständige arbeiten routiniert, sind erfahren und vertrauenswürdig. Vertrauen Sie daher auf persönliche Erfahrungen, Referenzen und Empfehlungen.

Empfehlungen bekommen Sie zum Beispiel von Ihrem Versicherungsmakler oder Ihrer Versicherung. Die Mitarbeiter dort sind Profis und arbeiten am liebsten mit Profis zusammen. Wenn Sie bereits einen Sachverständigen eines Fachgebietes kennen, fragen Sie diesen nach Empfehlungen. Oft kennen und schätzen sich verschiedene Sachverständige aus der Zusammenarbeit bei früheren Schäden.

Haben Sie zum Beispiel mal Ihre Unternehmensimmobilien bewerten lassen und gute Erfahrungen mit dem Sachverständigen gemacht? Rufen Sie ihn an. Meine Kunden kennen mich zum Beispiel, weil ich ihre Gutachten für die Versicherungswerte anfertige und kontaktieren mich daher.

Notieren Sie sich meine Telefonnummer: 040 602 13 33

Mit einem belastbaren Kontakt reduzieren Sie bereits spürbar den Stress in einer Ausnahmesituation.

Darüber hinaus gibt es gute Sachverständigen-Netzwerke. Ich bin Mitglied in diesem und spreche daher folgende Empfehlung aus:

Unser Praxistipp zur Suche eines technischen Sachverständigen: TES Technische Experten und Sachverständige

Des Weiteren finden Sie auf den Internetseiten der Handelskammern Listen mit den öffentlich vereidigten und bestellten Sachverständigen.

Weitere Quellen sind Linkedin und Xing.

Fazit: Sachverständigenverfahren

Der Gesetzgeber hat mit dem Sachverständigenverfahren ein sehr effizientes, verlässliches und bewährtes Instrument geschaffen, um Sachschäden in Unternehmen zu regulieren. Ich hoffe, es kommt bei Ihnen im Unternehmen nie zu einer Brandkatastrophe. Trotzdem macht es Sinn, sich einmal für den “Fall der Fälle” mit den Abläufen und Usancen vertraut zu machen und Kontakte parat zu haben. Denn dann haben Sie die nötigen Ressourcen, um mit klarem Kopf zu handeln.

Laden Sie sich zur Unterstützung unseren Notfallplan „Was ist im Falle eines Brandschadens im Unternehmen zu tun“ herunter.

Philip Merker Sachverständiger für Maschinenbewertungen

Philip Merker, MBA

Zertifizierter Sachverständiger für die Bewertung von Maschinen und technischen Anlagen (DIN EN ISO / IEC 17024)

Colonnaden 46, 20354 Hamburg

Telefon +49 (0)40 602 13 33
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